Wenn ihr Volleyball-Team eine Rockband wäre, würde Alexia Caratusa die Rolle als Lead-Gitarristin übernehmen. Die 1,88 Meter große Linkshänderin begeistert die Menge mit ihrer Darbietung auf dem Spielfeld. Selbstbewusst und fast ein wenig arrogant. Bei Galatasaray Istanbul spielt die 21-Jährige auf der Diagonalposition und ist dafür da, das Spiel zu verändern. Und das tut sie. Allein in den ersten beiden Sätzen an diesem Abend verwandelt sie 15 Mal. Nach jedem Punkt gibt es einen Aufschrei.
Während so mancher ihrer Schmetterbälle das Publikum vermutlich zum Aufspringen bringen würde, stehen an diesem Donnerstagabend in Wiesbaden sowieso schon alle. Und sie singen. Zumindest in Block A, dem türkischen Fanblock. Über 500 türkische „Gala“-Fans sind mit Sonderbussen zum Europapokal-Rückspiel im Challenge-Cup zwischen VC Wiesbaden und Galatasaray Istanbul angereist. Nicht nur aus dem Rhein-Main-Gebiet, sondern aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland. Junge Männer zwischen Anfang 20 und Mitte 30, alle im roten Galatasaray-Trikot, fallen durch ihre erstaunliche Ausdauer auf.
Die Fans beginnen eine halbe Stunde vor Spielbeginn zu singen und halten die Lautstärke während der gesamten Spielzeit hoch. Angestachelt von drei Vorsängern auf dem Tribünen-Geländer, lassen sie auch nach dem Spiel nicht nach. „Es ist ein bisschen verrückt“, sagt Britt Bongaerts, die niederländische Zuspielerin von Galatasaray, über die fanatische Anfeuerung. Sie freut sich über die Aufmerksamkeit, die sie in Istanbul so nicht kannte.
Die Hardcore-Fans von Galatasaray reisen ihrem Team überall hin nach, unabhängig von der Sportart. Sie lieben den Verein und das ist für sie angeboren. Sie verehren Spieler wie Mauro Icardi so sehr, dass sie ihm sogar ein eigenes Lied gewidmet haben. Die Liebe zum Verein steht im Mittelpunkt, nicht nur das Volleyballspiel.
Die Begegnung zwischen dem VC Wiesbaden und Galatasaray Istanbul ist schnell entschieden. Der VCW-Trainer Benedikt Frank ist stolz auf sein Team, obwohl sie ausscheiden. Trotz des Lärms des Publikums sieht er dies nicht als Ausrede, sondern als tolles Erlebnis für sein Team und die Stadt. Tanja Großer, die altgediente VCW-Angreiferin, nimmt die Stimmung der Fans mit und sieht den Achtungserfolg trotz der Niederlage.
Die Gala-Girls gewinnen den vierten Satz auch in Zweitbesetzung und holen sich nach dem Spiel ein Selfie vor Block A, wo die Fans ein letztes Mal ausrasten. Wie eine Rockband. Nur ohne Zugabe. Die Atmosphäre und Leidenschaft der Fans machen das Spiel zu einem unvergesslichen Erlebnis, das weit über den Sport hinausgeht.