Die Party der Meister in der Sonne von Ibiza wurde bereits am Freitag abgesagt, die Meisterfeier im Regen von Leipzig fiel am Samstag ins Wasser – in letzter Minute. Der FC Bayern muss im besten Fall noch einen Tag, vielleicht aber auch eine Woche oder sogar noch länger auf den sicheren Gewinn seiner 34. deutschen Fußballmeisterschaft warten. Nach dem 3:3 der Münchner in Leipzig besteht theoretisch die Möglichkeit, dass Bayer Leverkusen den Meister-Coup dieser Saison wiederholt, aber nur auf dem Papier: Die Bayern haben neun Punkte mehr und eine um 30 Treffer bessere Tordifferenz.

Schon an diesem Sonntag (17.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei DAZN) könnte der Münchner Titelgewinn auch rechnerisch sicher sein, wenn Leverkusen in Freiburg nicht gewinnt. Andernfalls haben die Münchner am darauffolgenden Samstag im Heimspiel gegen Mönchengladbach die nächste Chance auf die Meisterschaft, wenn ein Unentschieden reicht; im letzten Saisonspiel geht es dann gegen Hoffenheim. Leverkusen trifft nach dem Spiel in Freiburg sonntags auf Dortmund und spielt zum Abschluss parallel zum FC Bayern am Samstag um 15.30 Uhr in Mainz.

Die Bayern waren in vielerlei Hinsicht bereits auf eine frühere Meisterfeier vorbereitet. In Leipzig gerieten sie jedoch durch Tore von Benjamin Šeško (11. Minute) und Lukas Klostermann (39.) in Rückstand. Die Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit half bei der Wende. Eric Dier (62.), Michael Olise (63.) und Leroy Sané (83.) sorgten mit ihren Treffern dafür, dass Harry Kane, der gesperrte Torjäger, von der Tribüne an den Spielfeldrand lief, um den Beginn der Feierlichkeiten nicht zu verpassen: Er sah jedoch nur, wie Yussuf Poulsen für Leipzig doch noch ausglich (90.+4).

Wie sicher die Münchner in die Partie in Leipzig gingen, zeigten auch die Überlegungen eines Party-Trips nach Ibiza zu Beginn der nächsten Woche. Dieser Plan wurde den Spielern jedoch am Vortag ausgeredet. „Wir haben davon gehört, mit der Mannschaft gesprochen und das gestern ganz offen miteinander besprochen“, sagte Max Eberl, der Sportvorstand, am Samstag vor dem Leipzig-Spiel beim Sender Sky. „Wir haben gesagt: Das gehört sich nicht, der Wettbewerb läuft noch. Die Mannschaft hat das verstanden. Dementsprechend: keine Reise.“

Das Ergebnis in Leipzig hätte sowieso einen Strich durch die Rechnung gemacht, auch wenn bereits am Samstag trotz des Unentschiedens in letzter Minute das Gefühl vorherrschte, dass der Titel sicher sei. „Es ist durch dieses Ausgleichstor ein bisschen komisch. Ich fühle mich ganz als Meister, aber trotzdem sind wir es halt noch nicht“, sagte Thomas Müller beim Sender Sky. „Wir werden im Laufe des Abends herausfinden, wie wir unsere Gefühle sortieren – und machen es dann nächste Woche klar.“

Müller, dessen Vertrag in diesem Sommer in München ausläuft und nicht verlängert wird, ließ sich die Vorfreude auf seine 13. Meisterschaft mit seinem Herzensverein nicht vermiesen. „Es ist sehr viel Freude da“, sagte Müller: „Das Team hat gezeigt, was im Klub steckt. Der Klub kann stolz sein, dass er diese Jungs hat.“ Er geht „auf jeden Fall“ davon aus, dass der Titel nach München kommt. Dann eben nächste Woche. Auch Sportvorstand Christoph Freund blieb entspannt: „Wir sind quasi Meister. Es gab schon bitterere Unentschieden als heute.“

Die Bayern, bei denen der seit Anfang März mit einer Wadenverletzung fehlende Stammtorwart Manuel Neuer wieder im Kader, aber nicht im Tor stand, wurden zunächst in der Defensive von aufgedrehten Leipzigern gefordert. Nach einer Ecke prallte der Ball von Abwehrspieler Dier zu Amadou Haidara. Dessen Schuss aus kurzer Entfernung parierte jedoch Neuer-Vertreter Jonas Urbig reflexartig und sehenswert mit dem rechten Arm ab (2. Minute).

Auch danach ging es hin und her. Einen Fehlpass des Leipzigers Xavi Simons nahm Serge Gnabry auf. Der Schuss des Münchners landete jedoch nur knapp neben dem Pfosten am Außennetz des Tores (9.). Besser machte es Šeško auf der anderen Seite. Simons schickte den Stürmer in die Tiefe. Urbig wollte ihm entgegenlaufen, schätzte ab, zögerte, rutschte weg, wollte zurück ins Tor – doch nach all den fatalen Fehlentscheidungen in einer Sekunde war es zu spät: Šeško düpierte ihn mit einem Kunstschuss per Außenrist (11.) zur Leipziger 1:0-Führung.

Yussuf Poulsen schießt den Ball zum 3:3 ins Münchner Tor.ReutersAls die Bayern so gerade Fuß fassten – Müllers Kopfball ging vorbei (30.), Müllers Schuss traf den Leipziger David Raum an empfindlicher Stelle (32.) – erhöhte Leipzig. Nach einer Hereingabe per Freistoß von Raum, der sich von dem Tiefschlag erholt hatte, köpfte Lukas Klostermann an Urbig vorbei ins Tor zum 2:0 (39.). Und die Bayern? Gnabry traf aus vier Metern mit einem Kopfball das Tor nicht (40.). Dann war Pause und es schien: So wird das sicher nichts mit dem Titel. Nach der Halbzeit indes ergab sich plötzlich ein anderes Bild, nicht nur wegen des strömenden Regens.

Aleksandar Pavlovic, der am Samstag 21 Jahre alt wurde, mit einem Kopfball (51.) und Joshua Kimmich mit einem Fernschuss (60.) zielten zu ungenau. Dier per Kopf am ersten Pfosten (62.) und keine Minute später Michael Olise mit einem Linksschuss nach Leipziger Ballverlust (63.) machten es besser. Und auf einmal war aus einem Rück- ein Gleichstand geworden, der Leipzig die Flügel mächtig stutzte. Die Bayern Konrad Laimer (69.) und Kingsley Coman (75.) vergaben weitere Möglichkeiten, ehe Leroy Sané das Spiel mit seinem Tor auf den Kopf stellte (83.).

Das Tor zur Meisterschaft? Es sah so aus, doch Leipzig bekam noch eine Chance – und nutzte sie. Der eingewechselte Poulsen wurde von Simons im Strafraum perfekt in Szene gesetzt und lupfte den Ball über den herausstürzenden Urbig zum 3:3 ins Tor (90.+4). Die Bayern sanken zu Boden, Kane schaute ungläubig an der Seitenlinie. Der 31 Jahre alte Stürmer aus England, der 2023 für rund 100 Millionen Euro nach München gekommen war, hat in seiner Karriere, die ohne Frage eine erstaunliche ist, noch keinen Titel gewonnen. Ein wenig muss er nun noch warten.